Transplantation

Wie man sich sicher vorstellen kann, waren diese zwei Monate bis zum OP-Termin eine unvorstellbar lange Zeit.
Einerseits herrschte bei uns eine große Erleichterung, dass es endlich losgehen sollte, andererseits wuchs auch, man kann es nicht verleugnen, die Angst.
Natürlich hat man Angst vor so einem Eingriff, aber die Ängste oder Bedenken wirkten sich auf jedes Familienmitglied von uns anders aus.

Sarah und Marita waren die beiden, die es am härtesten traf, denn sie mussten sich am Tag der OP ca. 13 Stunden beschäftigen und ablenken, während Alina und ich von alledem nichts mitbekamen (wir schliefen ja).

Dienstag, den 26.06.2007 etwa gegen 16:00 Uhr brachten Marita und Sarah uns nach Kiel in die Chirurgie des UK S-H. Bepackt mit dem Nötigsten und in bester Stimmung (wahrscheinlich um die Angst zu überspielen) bezogen wir unser für die nächsten Tage neues Heim auf der Station B6. 

 

Ausgelassen und eigentlich sehr locker, verbrachten wir den Nachmittag und frühen Abend. Alina ging es zu der Zeit den Umständen entsprechend sehr gut. Dies war die Grundvoraussetzung.

Es war anfangs nicht zu verstehen, was der Prof. uns zuvor gesagt hatte: " Wir wollen die besten Voraussetzungen schaffen, Alina soll stabil sein und das beste OP-Team soll zur Verfügung stehen, dann werden wir den höchst möglichen Erfolg erzielen."


Es war soweit !
Letzte Besprechung abends gegen 20:00 Uhr, Chirurg und Psychologe machten mit uns die aller letzte Untersuchung (Blutdruck bei uns beiden 120 zu 80), am nächsten Morgen früh um 07:00 Uhr sollte es endlich losgehen!


Sarah und Marita waren früh da, ich bekam Beruhigungsmittel und OP-Kleidung, die Stationsschwestern bereiteten alles sehr ruhig und routiniert vor.


07:15 Uhr:

Ein kurzes:" bis nachher", und schon war ich auf dem Weg in den OP.
Während ich nun die nächsten 4 - 5 Stunden im OP verbringen durfte, musste Alina noch auf dem Zimmer warten, denn erst die aller letzte Ultraschalluntersuchung an der offen gelegten Leber gibt den Chirurgen die Sicherheit, dass alles in Ordnung geht. Bis dahin mussten Alina, Sarah und Marita sich die Zeit vertreiben.



                                                                                                                        (Bernd)

Das ZDF-Team und ich bei der Anästhesievorbereitung

Alina auf der Station, 10 Min. bevor sie in den OP gefahren wurde (Freude überdeckt Angst).

Ja, die Freude darüber, dass es nun endlich losgehen sollte, war viel größer als die Angst. Ich hatte kaum Angst, fühlte mich von Anfang an gut aufgehoben und war voller Vertrauen. Große Angst hatte ich allerdings davor, dass es eventuell doch nicht klappen könnte. Dass irgendwann jemand ins Zimmer kommen würde, der uns sagt, dass es bei Papa doch eine "anatomische Besonderheit" gibt, die die geplante Leberlebendspende unmöglich macht. Glücklicherweise kam es anders.

Nachdem wir einige Stunden Gesellschaftsspiele gespielt hatten, war es endlich so weit. Ich wurde abgeholt und fand alles echt spannend, besonders in der Schleuse zum OP war es irgendwie so nett und warm. Ich werde nie die Gesichter von Mama und Sarah vergessen, die mich bis dorthin begleitet hatten.
                                                                                                                                                                            (Alina)

 

 

 

 

 

 

Ja, nun standen wir vor dieser Schleuse, sahen zu, wie Alina durch diese hindurch in den OP befördert wurde. Niemals werde ich dieses fröhliche und zuversichtliche Gesicht vergessen.

Und ich hoffte inständig, dass diese Zuversicht und das Vertrauen in diese Ärzte nicht enttäuscht werden würde.
Dann schlossen sich die Türen. Ein Blick in Sarahs Gesicht sagte mir genug. Wir hatten beide einfach nur große Angst vor den nächsten Stunden. Machtlos standen wir noch einen Moment dort, ein fröhlich lächelnder Anästhesist sagte uns noch, dass bis jetzt alles wunderbar laufe und dann waren wir auf uns allein gestellt.

Mein Gefühl sagte mir jedoch:

                                                          Alles wird gut!

 

Der Psychologe hatte uns angeboten, dass wir jederzeit, wenn wir das Bedürfnis hätten, zu ihm kommen könnten. Das war sehr nett, aber irgendwie wollten wir beide wohl lieber mit uns allein sein.
Also wanderten wir gefühlte einhundert Mal über das Klinikgelände, trafen uns mit Sarahs Freund, aßen zwischendurch sogar Pizza (ich hätte nicht gedacht, dass ich in dieser Situation überhaupt etwas herunterbringen würde!), tranken Kaffee, riefen zwischendurch Oma und Opa an, um diese auch ein bisschen auf den Laufenden zu halten.
Am frühen Nachmittag gingen wir das erste Mal auf die Intensivstation.

Bernd war gerade dort angekommen. Bevor wir jedoch zu ihm gingen, kam uns fröhlich winkend einer der Ärzte des Operationsteams entgegen und rief, den Daumen nach oben zeigend:

 

                                             "Super Leber, eine super Leber!"


Dann besuchten wir Bernd auf der Intensivstation, der hiervon noch nicht allzu viel mitbekam.

Man versicherte uns, es ginge ihm sehr gut und wir beide waren nun schon etwas beruhigter und setzten nach einem sehr kurzen Besuch unsere Runden über das Klinikgelände fort.


Und wieder warten, spazieren gehen, Kaffee trinken, telefonieren und hoffen, dass weiterhin auch bei Alina alles gut laufen würde. Bis ca. 21.00 Uhr mussten wir uns gedulden, dann endlich, während eines zweiten Besuches auf der Intensivstation, konnten wir uns davon überzeugen, dass es auch Alina sehr gut ging.  Noch ein kurzer Abstecher im Nebenraum überzeugte uns, dass wir nun ganz beruhigt nach Hause gehen konnten, denn Bernd führte schon wieder, noch leicht berauscht von der Narkose, Beratungsgespräche über irgendwelche Versicherungen mit dem Pfleger.

Na, das war ja typisch!

(Marita)


 

 

 

 

Irgendwann hörte ich viele Stimmen um mich herum. Wo war ich? --- Ach ja, Intensivstation. Schemenhaft nahm ich Marita an meinem Bett wahr, aber nur kurz, dann schlief ich wieder.

Der Anästhesist - der nette aus Eckernförde - war an meinem Bett und sprach mich an.

Ich hörte ihn, aber er war gefühlt sehr weit weg. Meine Augen waren noch viel zu schwer, um sie zu öffnen, aber seine Worte höre ich noch heute sehr deutlich:

 

           "Herr Bargholz, aufwachen, Alina geht es gut, es ist alles in bester Ordnung,

                                           Ihre Leber arbeitet wunderbar bei Alina."

 

Tja, weg war ich wieder.

Dann wurde ich irgendwann wacher. Viele Stimmen, entsetzliche Töne der vielen Überwachungsgeräte, zwar keine Hektik, aber irgendwie doch eine sehr angespannte Atmosphäre hier.

Es war Nacht. Das Personal war vermutlich mit einem Notfall beschäftigt, trotzdem lief alles sehr routiniert ab. Die Nacht kam mir unendlich lang vor, ich war oft wach, aber auch zeitweise im Halbschlaf.

Über den guten Zustand von Alina, die im Nebenraum lag, wurde ich von dem netten Personal ständig informiert. Am Morgen wurde ich gewaschen und für die Rückkehr zur Station vorbereitet.

Vor den hier arbeitenden Schwestern, Pflegern und Ärzten ziehe ich den Hut. Ich bewundere diese Menschen, die rund um die Uhr auf dieser Station ihren Dienst tun, oft um das Leben von Menschen kämpfen müssen und trotz alledem in der aufkommenden Dringlichkeit alles ruhig, schnell und sehr routiniert bewältigen.
 
Bevor ich nun zur Station verlegt wurde, schob man mich in meinem Bett zu Alina, die noch eine Nacht hier bleiben musste, denn der Eingriff bei Alina war bedeutend länger und schwieriger als bei mir.

 

Minuten, die wir beide nie vergessen werden!

Beschreiben kann ich dieses Gefühl nicht, aber diese Minuten ließen alles bisher Erlebte einfach verschwinden. 


Jetzt wird alles Gut.

(Bernd)